Der Kommentar

06.01.2014:

Betreff: BUND-Studie zum Einsatz von Hormonen in der Sauenhaltung

Der BUND kritisiert den “systematischen” Einsatz von Hormonen in der Sauenhaltung und befürchtet Gefahren für Umwelt und Verbraucher.

Tatsächlich gehören Hormonpräparate in der Sauenhaltung seit Jahrzehnten (!) zum Tagesgeschäft. Und zum Glück werden diese Arzneimittel systematisch, d.h. kontrolliert und gezielt eingesetzt. Beispiele sind die Geburtseinleitung, die Eingliederung von jungen Sauen in bestehende Altsauengruppen, eine Unterstützung der Milchfreisetzung zu Beginn der Säugezeit oder die Steigerung der Zahl freigesetzter Eizellen zur Belegung. Während einige Maßnahmen zur regelmäßig wiederkehrenden Routine gehören, kommen andere nur saisonal bei bestimmten Altersgruppen oder im Falle von Fortpflanzungsstörungen zum Einsatz. Ja, natürlich auch mit dem Ziel einer Ökonomisierung der Tierhaltung - na und?

Ach, richtig! Beim Wort “Hormone in der Tierhaltung” klingeln uns natürlich die Ohren, und jedem Umwelt-, Tier- und Verbraucherschützer sträuben sich die Haare – erinnert das nicht an einen Pawlow`schen Hund, dem schon beim Anblick der leeren Futterschüssel Speichel von den Lefzen tropft? Eben alles eine Frage der Konditionierung. Eine Konditionierung übrigens, der unsere Presselandschaft in der Hoffnung auf gefüllte Futterschüsseln (sprich: Sensationsmeldungen) in zunehmendem Maße erliegt. Anders ist es nicht zu erklären, dass die ersten Meldungen zur BUND-Studie nur von Gefahren reden und sachliche bedeutsame Zusammenhänge völlig ungenannt lassen. Hier einige Fakten für den umfassend interessierten Verbraucher:

  • Die moderne Gruppenhaltung (erinnere:Tierwohl!) erfordert eine sozial stabile Zusammensetzung der Sauengruppen während der Phasen Abferkelung, Belegung, Trächtigkeit. Diese Stabilität der Gruppenführung wird durch eine hormonelle Synchronisation des Fortpflanzungsgeschehens unterstützt.
  • Ein gemeinsames Abferkeln der Sauen ermöglicht, dass die Ferkel der Sauengruppe zeitgleich abgesetzt (entwöhnt) werden können. Diese Ferkelgruppe bezieht und verlässt dann gemeinsam einen Aufzuchtstall; eine unbedingte Voraussetzung zur Unterbrechung von Infektketten und damit zenrales Element von Strategien zur Antibiotika-Minimierung.
  • Erst das Prinzip der zeitlich synchronisierten Sauengruppe ermöglicht es, dem Mäster große Ferkelpartien mit einheitlichem Gesundheitsstatus zu verkaufen. Dies bedeutet Krankheitsvorbeuge und Medikamentenreduktion.

Noch ein Wort zum Thema Rückstände: Die Mehrzahl der Präparate hat Halbwertszeiten von einigen Minuten bis mehreren Stunden. Der Einsatz aller Präparate erfolgt nach behördlicher Zulassung und tierärztlicher Verordnung. In einigen Fällen verpflichten zudem so genannte “Wartezeiten” (siehe auch Rubrik: Wussten Sie schon?) den Landwirt, die Verwertung behandelter Tiere so lange zurückzustellen, bis der Verzehr von Fleisch dieser Tiere als unbedenklich eingestuft wird. Sollten Einzelpräparate oder Abbauprodukte dieser Präparate tatsächlich eine Umwelt- und Verbrauchergefährdung darstellen, besteht natürlich Handlungsbedarf. Hierzu bedarf es aber bitte harter Fakten. Oder anders ausgedrückt: Der BUND muss den uns vorgehaltenen Fressnapf nun auch qualifiziert mit Daten füllen. Ansonsten stumpft auch der noch so gut konditionierte BUND-Sympathisant bald ab.

wird fortgesetzt!

18.10.2013:

Drei Tierärzte informieren kritisch zur Massentierhaltung…

Unter diesem Motto hatte die “Bürgerinitiative zur Werterhaltung der Region Billerbeck” am 18.10.2013 eingeladen. Als Referenten waren ein ehemaliger Nutztierpraktiker, eine Amtstierärztin sowie eine mit amtlichen Aufgaben (Schlachthoftätigkeit) betraute Tierärztin eingeladen. Alle drei sind Mitglieder des Forums für verantwortbare Landwirtschaft, welches sich gegen die “industrialisierte Tierhaltung” ausspricht.

Unter den rund 40 Zuhörern waren nahezu keine Landwirte vertreten; erstaunlich, da die Veranstaltung öffentlich angekündigt war und eigentlich die Möglichkeit zu einem regen Austausch gegeben hätte. Zugegeben: “Gegner” konventioneller Tierhaltung waren in der Überzahl und eine Diskussion der Vorträge aus Zeitmangel nur in Form straffer Statements und kurzer Fragen möglich.

Eine kurze Zusammenfassung der Statements:

Den Auftakt machte der (Ex-)Praktiker: Als Gründe für die Abkehr von der Arbeit als praktizierender Tierarzt nannte er

  • eine einseitig durch ökonomische Zwänge getriebene Entwicklung der Betriebe.
  • eine zunehmende “Ent-individualisierung” der Tiere und Krankheit provozierende Leistungssteigerungen. Als Beispiel wurde die Hochleistungskuh genannt, deren nachgeburtlichen Stoffwechselprobleme nahezu unvermeidbar seien. Vor allem der Trend zu insgesamt niedriger Nutzungsdauer sei unverantwortbar.
  • eine zu straffe Organisation der Betreuungszeiten für das Einzeltier, so dass eine verantwortungsvolle Tierhaltung auf der Strecke bliebe. Die kurative Tätigkeit des Tierarztes sei zu Gunsten von Beratung und Arzneimittel-Abgabe in den Hintergrund geraten.

Die mit den Aufgaben der Überwachung betrauten Kolleginnen führten entsprechende Paragraphen des Tierschutzgesetzes aus und bedauerten die ihrer Meinung nach völlig unzureichenden Möglichkeiten der Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben: Neben fehlendem Personal würden vor allem Lobbyismus, Kumpanei und wirtschaftliche Zwänge die Aufgaben der Überwachung erschweren.

Alle Vorträge wurden in der anschließenden Diskussionsrunde als Bestätigung der im Auditorium vorherrschenden Meinung gewertet, dass die konventionelle Tierhaltung Tierschutz und Tierwohl zu Gunsten der Gewinnmaximierung ignoriere und darüber hinaus einen wesentlichen Beitrag zur Verschwendung natürlicher Ressourcen leiste.

wikipig kommentiert:

Die Veranstaltungen unternahm einen in Vortrag und Diskussion erwartungsgemäß scharfen Ritt gegen die konventionelle Landwirtschaft, bei dem Themen wie antibiotische Resistenzen (MRSA, ESBL), Tierwohl / Tierschutz (Qualzuchten, Kastration, Schwänzekupieren, Schnabel kürzen) und landwirtschaftliche Emissionen (Gülle) aufgegriffen wurden. Problematisch bis vielfach ärgerlich war, dass die Vorträge angelegt waren, stereotype Vorurteile zu bedienen. So wurde z.B. der Schwanzkannibalismus auf ein “Stroh-Mangel-Problem” reduziert, ungeachtet dass aktuell mehr als ein dutzend Studien bemüht sind, die Vielschichtigkeit der Problematik zu entwirren. Und natürlich kam man zu dem Ergebnis, dass die MRSA-Problematik in unserer Gesellschaft wesentlich von der Landwirtschaft/ Veterinärmedizin verantwortet wird. Die Feinheiten liegen hier natürlich im Detail; doch macht der aufgewühlte Laie keinen Unterschied mehr zwischen “verursacht” und “verkompliziert”, was angesichts der Tragweite des Problems aber nicht unerheblich ist.

Die Statements der mit Aufgaben der Überwachung betrauten Tierärztinnen kamen einer Bankrotterklärung des öffentlichen Veterinärwesens gleich, die so von den meisten Tierärzten in vergleichbarer Tätigkeit mit Sicherheit nicht unterschrieben würde. Und so gab es auf die Frage, ob denn heute nicht deutlich mehr Lebensmittelsicherheit, Tierwohl und Verbraucherschutz am Schlachthof gewährleistet werde als vor 10, 15 oder gar 30 Jahren auch nur wenig Widerspruch von Seiten der mit ihrer Arbeit scheinbar sehr unglücklichen TIerärztin. Mehr Fragen dieser Art hätten der Veranstaltung gut getan, zumal Schüler anwesend waren, die ein zusammenfassendes Referat zu erarbeiten hatten. Für ein knackiges Pro und Contra gab es bei dieser Zusammenkunft aber leider nur wenig Futter. Vor diesem Hintergrund erscheint die Teilnahme aller “System-Beteiligten” an öffentlichen Veranstaltungen dieser Art in Zukunft um so wichtiger – zugegeben, es kostet Nerven!

Dr. Rolf Nathaus

12.08.2013:

Ein “Veggie-Day” lässt sich eben nicht verordnen!

Vielseitige vegetarische Variationen in den täglichen Speiseplan einbinden? Mit einem bewussten Fleischkonsum die Qualität des Genusses heben und den eigenen Fettstoffwechsel hin und wieder etwas “entlasten”? Warum nicht? Aber bitte freiwillig!

Dass diese Haltung auf breiten gesellschaftlichen Konsens stößt, hat eine von Infratest dimap im Auftrag der “Welt am Sonntag” durchgeführte Umfrage unter 1000 Bundesbürgern gezeigt. Danach sagen 62% der Westdeutschen “Nein” zu einem (Ostdeutschland 56%) niedlich als Veggie-Day verpackten Zwangskonsum vegetarischer Speisen in öffentlichen Kantinen. Nur insgesamt 36% der am 6. und 7. August befragten Bundesbürger sprachen sich dafür aus.

Mit dieser Haltung zeigen die Bürger den “Grünen” eine gelbe Karte für deren Neigung, ihre Gut-Mensch-Einstellung von oben herab verordnen zu wollen. Die Argumentation Jürgen Trittins, dass solch ein Veggie-Day gar ein Instrument sei, den “Drogenhandel im Stall” zu unterbinden (Welt am Sonntag vom 11.08.2013) erzeugt zudem einen inhaltlichen Spannungsbogen mit der Würze einer miesen Tofufrikadelle aus alten Mensa-Zeiten – vielleicht ist sie aber auch nur Ausdruck unzureichender Sachkenntnis.

Fakt ist: Vegetarische Gerichte haben heutzutage durchaus mehr Reiz als noch in ihren Anfängen und finden in Zukunft vielleicht noch besseren Zuspruch, wenn man sie frei von politischem Beigeschmack hält: Erzieherische Zutaten unerwünscht – Guten Appetit!

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