Archiv für den Monat: September 2013

“Ringelschwanz kupieren” – Wieso? Weshalb? Warum ? (videogestützt)

1. Das Kupieren des Ringelschwanzes (Video) soll dem Problem des aggressiven “Schwanzbeißens” vorbeugen: Die Schweine nehmen den Schwanz eines Buchtengenossen – zunächst oft spielerisch – in das Maul und beginnen Kaubewegungen. Mit dem Auftreten blutender Verletzungen kann aus dem Spiel ernsthafter Kannibalismus mit schwerwiegenden Folgen (z.B. eitrige Rückenmarksentzündungen/ Lähmung) resultieren. Betroffene Tiere müssen eventuell vorzeitig getötet werden, oder der Schlachtkörper ist nicht verwertbar.

2. Die möglichen Auslöser des aggressiven Schwanzbeißens sind sehr zahlreich und komplex: Bisherige Untersuchungen lassen vermuten, dass Faktoren wie z.B. fehlendes Beschäftigungsmaterial (Stroh), eine zu hohe Belegdichte, schlechtes Stallklima, Infektionskrankheiten, Fütterungsfehler, soziale Auseinandersetzungen oder eine erbliche Anlage mögliche Risikofaktoren für Schwanzbeißen darstellen. Allgemein gesprochen haben Unwohlsein und Stress wahrscheinlich gesteigerte Aggressivität zur Folge.

3. Mit dem Kupieren ist ein kurzfristiger Wundschmerz verbunden. Außerdem wird berichtet, dass nach Abheilung der Amputationswunde eine so genannte Neurombildung möglich sei. Neurome sind bindegewebige Zubildungen, die amputierte Nervenende einschließen und so Druckschmerz auslösen können.

In Deutschland darf das letzte Drittel des Schwanzes unter bestimmten Voraussetzungen (s.u) bei bis zu vier Tage alten Saugferkeln ohne Betäubung/ Schmerzausschaltung kupiert werden. Ein routinemäßiges Kupieren des Schwanzes ist in Deutschland aktuell nicht erlaubt.

4. Rechtliche Rahmenbedingungen:

  • Tierschutzgesetz (§6 Abs. 1, wortlaut) : Amputationen (hier: Kupieren) sind nur im Einzelfall zulässig und wenn die Maßnahme unablässig zum Schutz des betroffenen Tieres oder zum Schutze anderer Tiere ist…
  • RL 2008/120/EG (wortlaut): Das Kürzen der Schwänze darf nicht routinemäßig vorgenommen werden…es müssen zunächst andere Maßnahmen getroffen werden, die dazu geeignet sind, das Schwanzbeissen zu vermeiden; im Vordergrund stehen Änderungen der “Unterbringung” bzw. der Belegdichte (Anzahl Tiere pro Platzeinheit).

5. Der betreuende Hoftierarzt stellt den für die Umsetzung des Kupierens erforderlichen “Einzelfall” im Sinne der Gesetzgebung fest. Begleitend muss aber eine regelmäßige, tierärztliche  Beratung des Landwirtes stattfinden. Im Rahmen dieser Beratung sollen “Systemfehler”, die ein Schwanzbeißen im konkreten Fall provozieren, abgestellt werden.

Das Problem: Obwohl mittlerweile viele Risikofaktoren für Schwanzbeißen bekannt sind, ist die umfassende Erkennung von konkreten Maßnahmen für den einzelnen Betrieb sehr schwierig; Maßnahmen, die in einem Betrieb vorbeugend greifen, können in einem anderen Betrieb versagen. Fehlentscheidungen des Tierarztes, die mit einem Kupierverzicht einhergehen, können aber dramatische Folgen mit erheblicher Einschränkung des Tierwohls haben. Hinzu kommt, dass sich eine Reihe von Risikofaktoren für Schwanzbeißen jederzeit und unvorhersehbar im Verlauf von Ferkelaufzucht oder Mast einstellen können (Infektionskrankheiten, Fehler der Futterzusammensetzung, Probleme der Klimasteuerung). Und schließlich begleitet der Hoftierarzt des Ferkelerzeugers nicht immer den Weg der Ferkel bis zur Schlachtung. Einen Einfluss auf die Haltungsbedingungen nachgelagerter Produktionsstufen (Ferkelaufzucht, Mast) hat er dann nicht mehr.