In der kritischen Diskussion um Arzneimittelmissbrauch in der Tierhaltung wird immer wieder der “prophylaktische” Einsatz von Antibiotika angemahnt. Aber warum können Antibiotika eigentlich gar nicht “vorbeugend” wirken und was hat es mit antibiotischen Behandlungen in der Nutztierhaltung noch so auf sich? Hier einige Hintergrundinformationen:
1. Antibiotika dienen der Bekämpfung bakterieller Infektionen und sind damit ein ungemein effizientes Werkzeug zur Behandlung kranker Menschen und Tiere.
2. Die Wirkung der Antibiotika beruht darauf, dass sie Bakterien abtöten (bakterizid) oder in ihrem Wachstum hemmen (bakteriostatisch). Die krankmachenden Bakterien müssen also zum Zeitpunkt der Behandlung im Körper sein oder eindringen; die vorbeugende Gabe eines Antibiotikums bringt deshalb nichts. Es gibt keine Wirkung auf Vorrat.
3. Ein optimales Ergebnis wird erzielt, wenn die Antibiotika ausreichend hoch dosiert und lang genug verabreicht werden. Es gilt das Motto: So viel wie nötig, doch so wenig wie möglich.
4. Alle Bakterien haben im Zuge ihrer Entwicklungsgeschichte Abwehrmechanismen entwickelt, die ein Antibiotikum austricksen können. Das Ergebnis sind die gefürchteten Resistenzen; gefürchtet deshalb, weil einige stark krankmachende Keime gegen nahezu alle Antibiotika resistent sind (z.B. MRSA).
5. Resistenzen können z.B. durch spontane Änderungen des bakteriellen Erbgutes entstehen (Mutationen); meist sind sie aber das Ergebnis einer sehr häufigen und langdauernden Auseinandersetzung zwischen Bakterium und Antibiotikum. Eine zu niedrige Dosierung des Wirkstoffes oder die Auswahl eines falschen Wirkstoffs fördern die Resistenzentwicklung außerdem.
6. Die tierärztliche Herausforderung bei der Behandlung kranker Tiere besteht darin, durch geeignete Diagnostik den für eine Erkrankung relevanten Bakterien auf die Spur zu kommen und das geeignete Antibiotikum auszuwählen. Hierzu ist er sogar rechtlich verpflichtet, denn die “Behandlung” und alle damit verbundenen Maßnahmen werden gesetzlich (Tierärztliche Hausapothekenverordnung) formuliert. Ergänzend geben die so genannten “Leitlinien zum sorgfältigen Umgang mit Antibiotika” weitere Hinweise zur sachgerechten Anwendung.
7. Je nach Antibiotikum und zu behandelnder Problematik kann die erforderliche Behandlungszeit zwischen drei Tagen und drei Wochen liegen. Eine Aussage über die Bedeutung der Bakterien oder die Qualität des landwirtschaftlichen Betriebes ist damit aber nicht verbunden.
8. Der Tierarzt hat die Möglichkeit, in begründeten Fällen von den Vorgaben der Zulassung (Beipackzettel) abzuweichen und z.B. Dosierung oder Behandlungsdauer zu ändern. Und das ist auch gut so: Denn der Hoftierarzt kennt die besonderen betrieblichen Umstände. Die Verantwortung für den Erfolg einer Behandlung liegt bei ihm und basiert auf seiner fachlichen Einschätzung des Problems.
9. Da ein Tierarzt nicht jede Behandlung über mehrere Tage selber fortführen kann, darf er dem Landwirt Antibiotika für den Bedarf von sieben Tagen abgeben. Wichtig: Diesem “Bedarf” muss ein tierärztlich diagnostiziertes Problem zugrunde liegen und der Landwirt folgt einer schriftlichen Behandlungsanweisung. Tierarzt und Landwirt dokumentieren diese Behandlung unter anderem im Tierärztlichen Anwendungs- und Abgabebeleg.
10. Für die nahe Zukunft haben sich Landwirtschaft und Tierärzte zur Aufgabe gemacht, den Einsatz von Antibiotika zu minimieren.